Chaos, Ordnung, Big 5 und Biologie: Peterson für Anfänger

Das Folgende ist im Grund nichts anderes als eine Engführung des Narrativs von Jordan B Peterson, eines klinischen Psychologen, der wissenschaftliche Erkenntnisse mit mythologischen Geschichten und Persönlichkeitsanalyse verbindet - ich schreibe dies auf, um euch den Zugang zu erleichtern, und zwar in Form einfacher Kernaussagen, die ihr im Einzelfall selbst nachforschen müsst)

1) Peterson argumentiert, dass ein Großteil der Mythen, die wir besitzen, zunächst ein biologisches Fundament haben. Man beachte etwa christliche Mariendarstellungen, die Baby-Jesus in die Luft heben, während eines ihrer Füße einen Drachen oder Schlangen zerdrückt. Dies sei eine Repräsentation der realen, prähistorischen Mutter, die das Kind vor tatsächlichen Raubtieren und Schlangen schützt.

2) Ein Großteil der Mythen basiert auf der Geschichte der Konfrontation (und manchmal dem Scheitern) des Helden mit dem Chaos - und der Erneuerung der Gesellschaft. Der Gedanke kommt von Jung, Campbell.

3) Die Dichotomie von Chaos und Ordnung sei auch in unserem Leben relevant. Was passiert etwa, wenn die von uns konstruierte und aufgebaute Ordnung zerfällt --- wir fallen ins Chaos (man denke an Banker, die nach der Weltwirtschaftskrise, die ein Zusammenbruch ihrer Welt-Ordnung kennzeichnet) sich in die Tiefe stürzen. Unsere Vorstellung von Selbst und Welt sind Ordnungsstrukturen; und doch können wir jederzeit ins Chaos fallen, wenn die Schlange des Chaos in unseren Garten Eden eindringt.

4) Diese Dichotomie von Ordnung und Chaos kommt nun auch in der Persönlichkeitsforschung zum Ausdruck. Hier werden im Wesentlichen zwei Faktoren angegeben: "Plasticity" und "Stability", zwei grundlegende und in gewisser Hinsicht gegeneinander arbeitende Tendenzen, die uns dazu motivieren, sowohl das Chaos zu konfrontieren (Placticity) als auch stabile Strukturen aufzubauen (Stability). Diese zwei Grundtendenzen oder Grundverhaltensweisen des Geistes - und ihre Ausprägung in dem Individuum - basiert auf sowohl der genetischen als auch soziokulturellen Einstellung des Serotonin- (Stability) und Dopaminhaushaltes (Plasticity)

5) Diese zwei Hauptfaktoren differenzieren sich in der Persönlichkeitsforschung in die Big 5 auf: Plasticity (Extraversion, Openness) und Stability (Conscientousness, Neurozisism, Agreeableness); sowie - in weiterer Ableitung die Big 10 (wie etwa Gewissenhaftigkeit: Betriebsamkeit und Ordnungssinn)

6) Diese Big 5 basieren auf Faktorenanalyse und nicht Selbstbeschreibung und gelten (ganz unabhängig von Peterson) als das einziges viable und wissenschaftlich fundiertes Persönlichkeitsmodell.

7) Diese zwei Grundfaktoren (Stability/Plasticity) definieren nun nach Peterson, Haidt u.a.) unsere politische Ausrichtung: den Liberalen (Plasticity) und Konservativen (Stability). Es handelt sich um Ausprägungen des Temperamentes, die unsere politische Einstellung definieren. Liberale wollen offene Grenzen (zwischen Personen, Ländern etc) und neue Erfahrungen etc, Konservative wollen das Alte erhalten und bewahren.

8) Beide haben Recht! Kultureller Dialog heißt, herauszufinden, wann man welche Grenzen öffnet und wann welche schließt.

9) Petersons Kritik der Postmoderne besagt, dass unsere Kultur so stark nach Links gedriftet ist, dass nicht nur die linke Radikalisierung zunimmt, sondern ein Dialog der unterschiedlichen Temperamente unmöglich wird; aber ohne den konservativen Gegenpol fällt die Kultur ins Chaos (Placticity) Auf einen konservative Universitätsprofessor in den USA kommen 35 Liberale, in Canada ist das Verhältnis 1/44. Sprachkontrolle, Identitätspolitik, Ablehnung der Wissenschaft sei ein Ausdruck übersteigerter liberaler Ideen, die ins autoritative und totalitäre abdriften.

10) Gender wird weitaus mehr von Genetik bestimmt, als es die Liberalen haben wollen. Das heißt nicht, dass man die Verhaltensweisen der Transgender kontrollieren will, sondern dass man anerkennt, dass das Patriarchat nicht nur schlechte, sondern auch gute Aspekte in sich trägt. Identitätsfragen (wie Persönlichkeit) werden sowohl genetisch als auch soziokulturell definiert.

11) Sein eigenes Big 5 /Big 10 Persönlichkeitsprofil zu erweitern führt zu Weisheit. Wie das Ying- und Yang Symbol, dass die Einheit von Ordnung und Chaos symbolisiert, liegt es an uns zu lernen, eine Gleichgewicht zwischen Ordnung und Chaos zu erlernen ... das heißt auch, uns über die Dichotomie von Liberal und Konservativ, modern und postmodern zu erheben. (Aus diesem Grund - und weil er Biologie, Mythen, Wissenschaft postmoderne Philosophie/Psychologie integriert - erscheint er mir ein post-postmoderner Denker.)

Tom Amarque1 Comment